
09.07.2015
Inklusion - Gespräche in Friesland
Die Landesregierung hat die Inklusion überstürzt eingeführt. Viele Lehrer an Regelschulen fühlen sich von den neuen Aufgabe überfordert. Sie werden von der Landesregierung alleingelassen. Der FDP Bezirksverband Oldenburg fordert die Weiterbildung aller Regelschullehrer in Sonder-pädagogik und die Einstellung zusätzlicher Förderschullehrer.
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Martina Steguweit-Behrenbeck (Mittwoch, 15 Juli 2015 08:47)
Liebe FDP,
Inklusion bezieht sich meines Erachtens nicht nur auf die Frage, wie man Kinder mit Assistenzbedarf in Regelschulen beschult. Das ist sicher ein wichtiges Feld, aber eben nur ein Bereich. Wenn ich die Verlautbarungen richtig verstanden habe, bezieht sich die Richtlinie auf den Umbau aller Strukturen, die Sonderwelten schaffen für Menschen mit bestimmten Merkmalen. Ich warte darauf, dass die Politik ihre Aufmerksamkeit auch auf diese anderen Felder legt. So sind zum Beispiel Altenheime Sondereinrichtungen, die es hauptsächlich deshalb gibt, weil wir ambulantere Strukturen nicht mit Kraft wenigstens gleichberechtigt kraftvoll vorantreiben. Das bedauere ich sehr und glaube, dass auch viele Ältere, die sich mit einer Umsiedlung in ein solches Zentrum oder Heim anfreunden sollen, unangenehm berührt sind, von dieser Struktur. Ich würde mich freuen, wenn eine Partei, die die Selbstbestimmung im Blick hat, bei diesem Thema konzeptionell " aufrüstet" .In Anbetracht des demografischen Wandels und der zunehmenden Singularisierung kann es doch nicht die einzige Antwort der Politik sein, den Personalschlüssel in Pflegeeinrichtungen zu besprechen. Vor dem Pflegeheim liegt auch noch eine Zeit. Ich möchte Sie ermutigen, in Richtung eines strukturellen Ansatzes weiter zu denken, damit Selbstbestimmung in jeder Lebensphase so weit als möglich gewährleistet ist. Ich könnte mir vorstellen, dass der Anstoß dieser Debatte eine wesentliche Veränderung und Sensibilisierung zum Thema Inklusion herbeiführen würde. Das wäre vor allem auch ein kommunalpolitischen Thema. Die allgemeine " Verwaltung" des Themas Inklusion an einzelnen Baustellen zeigt meines Erachtens, dass der Schalter im Kopf sich bei den Planenden noch nicht umgelegt hat. Soll Inklusion als Gesellschaftsmodell nicht ins Leere laufen, wäre das hingegen wohl Voraussetzung. Am Anfang steht immer eine klare Entscheidung, damit der Weg zum Ziel entstehen kann.
Jost Etzold (Mittwoch, 15 Juli 2015 10:47)
Da stimme ich Ihnen zu. Wir haben deshalb im Themenbereich "Pflegepolitik" gute Aussagen und diskutieren im Bezirksverband z.Z. ein Antragspapier, wie die Pflege auf kommunaler und Kreisebene weiterentwickelt werden kann i.S. Ihrer Aussagen.
Angelika Brunkhorst (Mittwoch, 15 Juli 2015 14:35)
Vielen Dank für Ihre Analyse, Frau Steguweit-Behrenbeck. Tatsächlich wird aktuell in erster Linie die Diskussion und Umsetzung der Inklusion in Schulen und Kindergärten/-tagesstätten verfolgt. Parallel wollen wir Freien Demokraten die Inklusion in Ausbildung und beruflichem Umfeld thematisieren und voran bringen. Hier gab es bei unseren Unternehmensbesuchen seriöse Signale, dass auch die Betriebe hier Verantwortung mit tragen wollen. Der demografische Wandel wird unser aller Leben im letzten Lebensdrittel stark verändern; nicht alle Menschen haben überhaupt Familie oder diese in ihrer Nähe. Und es geht nicht nur um die bestmögliche medizinische Versorgung und Pflege. Es müssen Angebote, z.B. in der Quatiersentwicklung/für neue Wohn- und Lebenskonzepte entwickelt werden. Die selbstbestimmte Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben ist "Lebensqualität". Einer unserer Leitsätze lautet ganz ähnlich, wie Sie es formuliert haben "Selbstbestimmt in allen Lebenslagen". http://www.fdp.de/content/das-leitbild-der-fdp
Dagmar Hoffmann (Mittwoch, 15 Juli 2015 18:23)
Selbstverständlich ist Inklusion das beste, aller Gesellschaftsmodelle. Aber leider sind wir noch keine inklusive Gesellschaft.Als Klassenleitung auf einer Schule für Kinder mit emotionalem und sozialem Förderbedarf kann ich naturgemäß nur für diese Kinder sprechen. Für diese Kinder sehe ich aufgrund ihrer Störungsbilder, gerade bei externalisierenden Störungen, in der Inklusion bisher ungelöste Probleme.
Im 20.zigsten Jahrhundert sind unsere Förderschulen aus der pädagogischen Kenntnis als Schutzräume geschaffen worden, die jetzt weitgehend entfallen sollen. Unsere Kinder werden, anders als körperlich eingeschränkte Kinder, nur als " ungezogen" und " störend" empfunden. Selbst, wenn die Lehrkraft auf die Störungsbilder umfassend vorbereitet wird und angemessen reagieren kann, bleibt für das Kind aber die aversive Beantwortung durch das gesamte Umfeld und konterkariert letztlich auch die sorgfältige sonderpädagogische Intervention. Hier ist das kleine und überschaubare Setting für das Kind ein wichtiger Rahmen, um eine Sicherheit in einem sozialen Gefüge zu entwickeln und sich in diesem zu erproben. Es empfehlen sich eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Förderbedarfe und ein differenzierter Umgang, damit Inklusion nicht zum Schaden derer ist, denen sie nützen soll. Das Anknüpfen an Ideale muss der Praxis standhalten.